Seit Beginn von Putin’s War, wird meine Timeline von „Kriegsberichten“ geflutet, die eigentlich alle den gleichen Inhalt haben: explodierende Panzer, Militärfahrzeugen, Waffenlager, Vorratslager des Aggressors Russland. Dazu gerne auch Schlager mit Kriegsbezug, heldenhafte Selbstdarstellungen. Da muss es auch eine größere Datenbank gegen, da viele Videos mit einem gewissen Zeitabstand wiederholt werden. Manchmal kommen diese Schnipsel im Minutentakt.

Dazu gesellen sich Aufnahmen schrecklicher Kriegsverbrechen in der Ukraine, vermutlich alle von den russischen Streitkräften oder Söldnern ausgeführt. Das wird zumindest von vielen Quellen außerhalb Russlands bestätigt, es wurden Verfahren wegen Kriegsverbrechen und Völkermord eingeleitet.

Eigentlich sieht man nie zerstörtes, militärisches Material der ukrainischen Armee. Tote sind fast alle Zivilisten (eine Ausnahme bildet vermutlich das Asow-StahlwerkАзовстáль).

Ich würde all das als „normale“ Propaganda bezeichnen, die die Sinnhaftigkeit eines Gegenschlages mit viel Bildern und Kriegsgeheul unterstützen soll. Also wenig überraschend – allerdings ist der Einsatz der Social-Media in dieser Massivität etwas Neues.

Und ich glaube, dass sehr viele Menschen diesen Gegenschlag als gerecht empfinden und hoffen, dass der David den Goliath in die Knie zwingt – die Bibel liefert das Narrativ.

Dabei scheint es völlig okay zu sein, dass hier der Tod von Menschen sozusagen live gezeigt wird. Als würden sich 18-jährige Noch-Pubertierte hier gerne und heldenhaft bei lebendigem Leibe kremieren lassen. Das ist bestimmt ein tolles Gefühl!

Es hat länger gedauert, als ich gedacht habe, dass sich das Narrativ von Putin’s War verändert hin zum Krieg „der Russen“ gegen die Ukraine. Die Mütter geben bestimmt 18-jährige Noch-Pubertierte her (wobei man durchaus bezweifeln darf, ob die alle schon 18 Jahre alt sind).

Es sei nicht Putin’s War, wäre es nie gewesen. Und da „die Russen“ den Krieg nicht verhindern, müssen sie ihn selbstverständlich wollen und mit voller Inbrunst unterstützen – schließlich sieht man das bereits an diesen schicken Disko-Uniformen mit dem „Z“. Einen Buchstaben, den es im kyrillischen Alphabet gar nicht gibt.

Was heißt denn hier verhindern? Widerstand in einem totalitären Staat ist ja so einfach! Das können und konnten wir in allen de-facto Diktaturen sehen. Wie leicht es im Nazireich war, kann man sich in den Gedenkstätten ansehen. Und in mindestens einer hängen noch die Fleischerhaken, die in die Köpfe der armen Delinquenten gestochen wurden.

Aber so weit muss man gar nicht zurückgehen. Als ich den Vietnamkrieg medial wahrgenommen habe, gab es diese höchst objektiven schwarz-weißen Filmaufnahmen von Da Nang und den ganzen strategischen Höhen, die immer wieder gegenseitig zurückerobert wurden. Hauptsache, das Zahlenverhältnis hat gestimmt: Tote 1:100, gute Amis gegen den bösen Vietkong.

Das Napalm machte die Sache noch interessanter – endlich machen die Amis denen den Garaus; Kremieren mit anderen Mitteln.

Später hat man herausgefunden, dass fast alle deutschen Übersetzungen in den Filmberichten – als O-Ton getarnt – gefälscht waren; Propaganda halt.

Danach folgten viele solcher Beispiele, auch Volksaufstände. Zuletzt war einer in Weißrussland – es müssen jetzt neue Gefängnisse und Straflager gebaut werden. Und der Diktator ist immer noch gut im Futter.

Und der „gute Russe“ geht jetzt also einfach auf die Straße und sagt, dass der Krieg gegen die Ukraine nicht sein Krieg wäre. Allein für die Verwendung des Wortes „Krieg“ wandert man für lange Zeit in den Knast oder ins Straflager.

Was soll es dann sein, außer Putin’s War? Kein Mensch braucht Krieg, nirgendwo, niemals.

Man könnte jetzt mal eine Umfrage unter Piraten versuchen (ähnlich subjektiv wie fast alle unsere Umfragen, nach dem Muster der Gewissensprüfung der Kreiswehrersatzämter): Seid Ihr gegen die Todesstrafe?

Ich bin mir nicht mehr sicher, dass die Antwort zu 100 % „Nein“ ist.

So, wie wir es angeblich schick finden sollen, dass unsere Timelines besonders mit Livebildern von Kremierungsaktionen vollgepumpt werden. Nein, ich finde das eher widerlich.

Für mich ist und bleibt es Putin’s War, auch wenn der Diktator (bzw. Zar) nicht mehr so gut im Futter steht, sondern mehr im Cortison.

JM2C